Sonntag, 30. April 2017

Sonntag, 23. April 2017

Welttag des Buches

Zum Welttag des Buches habe ich die
Lieferung der 3. Auflage aufgestellt.



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Kurze Beurteilung von Friedrich W. Zimmermann: Liebe – Lust – Prostata. Eine wahre Liebesgeschichte. Norderstedt: BoD 2016
Dieses „Bekenntnisbuch eines Journalisten“ (S. 8) ist, wie beim Lesen schnell deutlich wird, das Werk eines Autors mit professionellen Schreib- und Publikationserfahrungen, was bei selbst verlegten Büchern keineswegs selbstverständlich ist. Es ist sprachlich und stilistisch sorgfältig gearbeitet und dabei eine manche Leserinnen und Leser vielleicht irritierende, doch gerade deshalb auch reizvolle Mischung von Liebes- und Krankheitsgeschichte, Dokumentation, Ratgeberliteratur und literarischem Erzählen mit autobiographischer Substanz. Im Zentrum des Buches steht die Geschichte der eigenen Prostataerkrankung.
Mehr oder weniger autobiographische Krankengeschichten waren und sind in der Literatur zwar weit verbreitet, doch in den wechselnden literarischen Vorlieben für bestimmte Krankheiten (in den 1970er Jahren z. B. Schizophrenie, heute dagegen Demenz und Depression) gehörten Prostataerkrankungen trotz ihrer weiten Verbreitung bisher nicht dazu. Eine der Ausnahmen, die der Autor in seinem Literaturverzeichnis ausdrücklich nennt, ist der 2007 erschienene Roman „Exit Ghost“ von Philip Roth, der sich ähnlich ausführlich wie „Liebe – Lust – Prostata“ mit Potenz- und Inkontinenz-Problemen bei dieser Erkrankung befasst. Die Bezugnahmen auf literarische Texte (von Roth, Kurt Tucholsky und Wolfgang Borchert) lassen sich durchaus als Signale dafür verstehen, dass dieses Buch auch als literarisches verstanden und beurteilt werden will. Mit anderen literarischen Krankheitsgeschichten teilt es nicht zuletzt die Reize des Spiels mit Angst und Hoffnung, die für Spannung konstitutiv sind. Die dabei evozierten und thematisieren Ängste werden darüber hinaus differenziert und in ihrer Gewichtung problematisiert (Angst vor Tod vs. Angst vor Impotenz) und gekonnt auf ein sich leitmotivartig wiederholendes Motto bezogen: „Lieber krebsfrei leben als potent sterben!“ Dieses wird positiv einem anderen Motto entgegengestellt: „Lieber tot als impotent!“

Die Krankheitsgeschichte ist in einem unverkrampften, lockeren, zuweilen gewitzten Stil erzählt, der einer verklemmten Peinlichkeit entgegenwirkt, mit der öffentliche Bekenntnisse aus Bereichen der Intimsphäre so oft verbunden sind. Der damit einhergehende Optimismus und das erklärte und auch optisch hervorgehobene „HAPPY END“ (S. 111) der Geschichte unterscheiden sich im Tenor von der Art, wie Philip Roth über seinen Protagonisten Nathan Zuckerman erzählt und andere literarisch ambitionierte Autoren über eigene Krankheitserfahrungen erzählen, allerdings erheblich. „Nach dem Verlust der Prostata gibt es eine neue Lebensqualität. Es ist nicht das Ende, sondern ein Neuanfang für meine magische und wundersame Liebesgeschichte.“
  Ein ironisches Spiel mit trivialliterarischen Traditionen? Wohl eher ein Versuch, Lesern, die von dieser Krankheit betroffen sind oder sein könnten, Hoffnung und Mut zu machen. Der Autor erklärt: „Aus Dank schreibe ich meine Geschichte auf, sogar mit missionarischem Eifer, um andere Männer und ihre Partnerinnen aufzuklären. Prostata-Krebs kann wirklich jeden Mann treffen. Und fast jeder hat eine Chance, diesem grausamen Krebstod zu entkommen.“ (S. 110) Der Autor „will ermutigen“ (S. 111) und er macht sich dabei selbst zum Vorbild.

  Der zweite Teil des Buches leistet Aufklärung über die Krankheit in Form von Adressen, Interviews, Literaturhinweisen und Dergleichen. Unter literaturkritischen Gesichtspunkten lässt er sich nicht beurteilen. Auf ganz andere Weise vermittelt er aber einen ähnlich professionellen Eindruck wie der erste Teil.

Samstag, 8. April 2017

Halbmast oder Lichtprojektion

Gestern in der Frühe hörte ich die Morgenandacht im Deutschlandfunk. Ulrike Greim fand den Ton, den ich mag. Ich schaue doch jeden Morgen nach, ob die Fahne auf dem Roten Rathaus auf Halbmast gesetzt ist. Am Abend gehe ich selten zum Brandenburger Tor, den  Fernseher habe ich längst abgeschafft. Und heute dann ... Stockholm! So schnell kommen wir nicht mehr mit. Haben wir den Kampf schon verloren? Nein, aber die wohlfeile Symbolik hat sich abgenutzt. Für den Einzelnen bleiben immer noch Teddybären und Kerzen. (Ich meine das nicht zynisch!)

"Je suis Charlie! Je suis Orlando! Je suis – St. Petersburg? Nein. Doch, vielleicht ein bisschen, aber nicht so sehr. Schade. Nein – ein Skandal, meinten diese Woche viele Menschen und beschwerten sich beim Berliner Senat, warum das Brandenburger Tor nicht in den russischen Nationalfarben erleuchtet wurde: Es war immerhin ein Terroranschlag. 14 Tote und 50 Verletzte. Da gehört Solidarität gezeigt. Ab zehn Toten nämlich. Oder reichen acht? Und: Solidarität gebe es wohl nur für Nato-Partner?, fragen die Kritiker. Kleingeistigkeit wurde dem Regierenden Bürgermeister vorgeworfen und mangelnde Empathie.
Die Antwort des Senates, farbliches Mitgefühl nur noch zeigen zu wollen, wenn es Partnerstädte Berlins betrifft, wirkte doch arg hilflos.
Aber wie umgehen mit der Frage, ab wann man ein Zeichen setzen soll?
Ja – öffentliche Gebäude haben in jeder Hinsicht Strahlkraft. Als ich den Eifelturm in schwarz-rot-gold gesehen habe, hat es mich schon berührt. Ich habe mich gemeint gefühlt. Und solche Zeichen möchte ich, dass mein Land sie auch in die Welt sendet!
Aber wie würde ich entscheiden? Welche Opfer sollen öffentlich betrauert werden? Diese Woche zum Beispiel?
Die in St. Petersburg natürlich. Aber quasi andauernd die in Syrien. Gerade wieder in Idlib. Die Bilder von den Menschen gingen durch die Medien, die sich hustend mit Plastiktüten vor dem Mund auf einer Pritsche krümmen. Giftgasopfer. Hyperventilierend. Wer weiß die genaue Zahl? 72? Darunter viele Kinder. UNICEF spricht von herzzerreißenden Bildern.
Oder die vielen Toten im Mittelmeer? Werden sie überhaupt nicht mehr gezählt? Weil es so wahnsinnig hilflos macht? Und was würde noch schockieren? 5? 25?250?
Solche Zahlen erregen kaum noch Gemüter – und provozieren keine Illumination.
Empathie: aufgebraucht. Tank: leer. Oder wie?
Man kann Empathie nicht herstellen. Selbst wenn der Verstand sagt: Das darf doch nicht sein. Die Ohnmacht erschlägt das Mitgefühl als letzte Regung. Also delegieren wir sie gern, z.B. an den Berliner Senat. Soll der doch zeigen, dass wir solidarisch sind. Irgendwie.
Nein: Mitgefühl lässt sich auch nicht delegieren. Es ist persönlich. Veränderlich. Es ist radikal subjektiv. Es kann wachsen von einer Sekunde auf die andere. Es kann verschwinden. Vor allem aber ist es eine Bewegung. Meine eigene. Es ist Kontakt. Beziehung zu konkreten Menschen.
Die bewegt etwas in mir. Zeigt, dass ich noch nicht abgestorben bin. Sondern dass mein Herz noch schlägt. Und diese Bewegung ist mir heilig.
Der will ich nachgehen. Sonst verkümmere ich. Mitgefühl muss fließen können, sonst staut es sich und fault und gärt an der falschen Stelle.
Es soll Raum bekommen. Das ist gesund. Dann ertrage ich es auch, wenn es andernorts mal nicht fließt.
Ein gutes Beispiel gibt mir die junge Frau, von der ich diese Woche gelesen habe. Eine Jura-Studentin aus Berlin. Sie engagiert sich in einem Verein, der Geflüchteten in Rechtsfragen beisteht. Sie ist gerade auf einer der griechischen Inseln, auf Chios. Sie berät Menschen, die dort anstranden.
Syrer z.B., die auf ihrer Odyssee nun auch aus der Türkei geflohen sind. Und die Schreckliches berichten. Die junge Frau bereitet sie auf die Gespräche im Rahmen des Asylverfahrens vor. Sie sagt, worum es geht und was ihre Rechte sind. Denn woher sollen sie das wissen.
Diese junge Frau, Donata heißt sie, geht aufrecht, klar und selbstbewusst ihren Weg. Sie ist Juristin, also berät sie in Rechtsfragen. Sie tut, was sie gut kann. Wohlwissend, dass sie keinen Applaus dafür erwarten kann.
Tu, was du gut kannst. Setz deine Potentiale ein. Da, wo dein Mitgefühl sitzt, da geht dein Weg lang. Aber geh ihn auch! Nüchtern und pragmatisch. So lerne ich es von Donata.
Ob man nun Rosen dafür bekommt oder Schelte. Ob die Masse „Hosianna“ ruft oder „kreuzige“. Wer mitfühlt, ist in bester Gesellschaft."
https://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/gedanken-zur-woche/delegieren-hilft-nicht-8753